Die Gründe für eine Sitzverlegung der GmbH können vielseitig motiviert sein. Hierbei ist es relevant anhand der Zielsetzung der gewünschten Gestaltung zwischen der Änderung des Satzungssitzes, der Geschäftsadresse und des Verwaltungssitzes zu unterscheiden. Seit den Änderungen durch das MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen) können der Satzungssitz und die Geschäftsadresse bei Kapitalgesellschaften wie der GmbH auseinanderfallen. Ebenso kann sich der Verwaltungssitz, der durch den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung bestimmt und für die Erhebung der Gewerbesteuer maßgeblich ist vom Satzungssitz und der Geschäftsadresse unterscheiden. Zur Wahl der richtigen Änderungen empfiehlt sich hierbei regelmäßig die Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt.
Zunächst muss abgeklärt werden was überhaupt geändert werden soll. Hierbei sind der Satzungssitz, der Verwaltungssitz und die Geschäftsanschrift zu unterscheiden. Der Satzungssitz beschreibt den in der Satzung festgelegten Sitz der Gesellschaft. Von diesem unterscheidet sich der Verwaltungssitz, also dem Ort von dem aus die tatsächliche Geschäftsleitung ausgeübt wird. Unter der Geschäftsanschrift, die im Handelsregister veröffentlicht wird, muss die Gesellschaft Vorrichtungen zum Empfang von Zustellungen (i.d.R. Postsendungen) vorhalten.
Der Satzungssitz hat zwingend in einer inländischen Gemeinde zu liegen und legt fest, welches Registergericht für die Gesellschaft örtlich zuständig ist gem. §§ 4a, 10 GmbHG. Der Satzungssitz wird dabei in Form der Gemeinde, in der er sich befindet in der Regel zu Beginn der Satzung/des Gesellschaftsvertrages festgehalten. Die Änderung des Satzungssitzes bedarf der Anmeldung zum Handelsregister. Der Satzungssitz stellt damit keine konkrete Adresse dar.
Die Geschäftsanschrift beschreibt die im Handelsregister veröffentlichte inländische Adresse der Gesellschaft. Sie kann sich vom Verwaltungssitz und Satzungssitz unterscheiden. Wichtig ist aber, dass die Gesellschaft über die Geschäftsanschrift faktisch erreicht werden kann, um die Zustellung von Briefen zu gewährleisten, § 8 Abs. 4 GmbHG, § 13 Abs. 1 HGB. Die Änderung des Satzungssitzes bedarf der Anmeldung zum Handelsregister. Die Möglichkeit der Verlegung des Verwaltungssitzes in das Ausland bei gleichzeitiger zwingender Beibehaltung der Erreichbarkeit über eine inländische Geschäftsanschrift wurde 2008 im Rahmen des MoMiG eingeführt und in § 10 Abs. 1 GmbHG umgesetzt. Die Geschäftsanschrift kann auch bei einem Empfangsbevollmächtigten wie einem Rechtsanwalt oder Steuerberater geführt werden. Der Eintragung der Geschäftsanschrift im Handelsregister kommt dabei konstitutive Wirkung zu.
Der Verwaltungssitz kann hingegen im In- und Ausland liegen und beschreibt den Ort, an dem die Geschäftsleitung (durch den oder die Geschäftsführer) tatsächlich und von gewisser Dauer ausgeübt wird nach § 10 AO (Abgabenordnung). Anhand des Verwaltungssitzes wird bestimmt, wo die Gesellschaft gewerbesteuerpflichtig ist, weshalb dem Verwaltungssitz besondere Bedeutung zukommt. Hierbei ist dem Finanzamt nachzuweisen, dass die maßgeblichen Entscheidungen der Geschäftsleitung auch in der angegebenen Gemeinde erfolgen.
Ist eine Gesellschaft unter ihrer Geschäftsanschrift nicht mehr erreichbar kann dies zunächst zu Problemen für die Gläubiger der Gesellschaft führen, insb. im Zusammenhang mit unrechtmäßigen GmbH-Beerdigungen. Für Gläubiger ist hierbei relevant, dass Zustellungen – auch über den Gerichtsvollzieher – nicht mehr wirksam zugestellt werden können, wenn unter der Geschäftsadresse keine Empfangsvorrichtungen mehr gegeben sind. Ein Ausweg kann dabei die öffentliche Zustellung sein, bei der der Zugang von Nachrichten durch öffentlichen Aushang am zuständigen Gericht fingiert wird gem. §§ 15a HGB, 185 ff. ZPO (Zivilprozessordnung), von der der Empfänger mit hoher Wahrscheinlichkeit keine tatsächliche Kenntnis nehmen wird. Die Problematik kann dabei ebenso für Geschäftsführer bedeutsam werden, die ihr Amt niederlegen wollen, insbesondere um einer eigenen Haftung vorzubeugen. Wegen der hohen Voraussetzungen für die Durchführung einer öffentlichen Zustellung empfiehlt sich die Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt. für Gesellschaftsrecht. Aus Sicht des Registergerichts kann hierbei zusätzlich ein Zwangsgeld von bis zu 5.000 Euro erwogen werden gem. § 14 HGB.
Ihr Anwalt im Gesellschaftsrecht kann Sie bei der Frage beraten, ob eine Änderung sinnvoll oder sogar erforderlich ist und ein geeignetes Vorgehen zur Umsetzung vorschlagen.
Über die Verlegung des Satzungssitzes ist ein entsprechender Gesellschafterbeschluss zu fassen. Da für die Änderung des Satzungssitzes die Satzung geändert werden muss ist grundsätzlich ein Beschluss mit 75% der abgegebenen Stimmen zu fassen gem. § 53 Abs. 1 und 2 GmbHG. Erfolgt die Änderung nicht einvernehmlich sind die Besonderheiten einer streitigen Gesellschafterversammlung zu beachten, insbesondere eine formgültige Einladung und Protokollierung des Beschlusses.
Die Änderung der Geschäftsanschrift bedarf grundsätzlich keines Beschlusses der Gesellschafterversammlung, solange dies nicht positiv in der Satzung geregelt wurde. Gleichwohl kann die Gesellschafterversammlung der Geschäftsführung die Änderung untersagen oder bestimmen. Die Anmeldung zum Handelsregister hat gleichwohl in elektronischer Form und notariell beglaubigter Unterschrift zu erfolgen. Sie muss dabei durch den oder die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl erfolgen - die Anmeldung durch einen Prokuristen genügt nicht (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.08.2014, 11 Wx 17/14).
Die Verlegung des Verwaltungssitzes wird dabei faktisch an den tatsächlichen Gegebenheiten gemessen.
Im Falle der Änderung des Satzungssitzes in eine andere Gemeinde hat eine Abmeldung beim bisher zuständigen und eine Anmeldung beim künftig örtlich zuständigen Gewerbeamt zu erfolgen, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GewO.
Gleiches gilt bei der Änderung der Geschäftsanschrift, wobei sich diese auch nur innerhalb einer Gemeine ändern kann, womit altes und neues Gewerbeamt identisch sind. Ohne die eigene Mitteilung erhalten die Gewerbeämter regelmäßig keine Information von anderen Behörden, weshalb der eigenen Mitteilung eine besondere Bedeutung zukommt. Ein Unterlassen der Meldung stellt dabei eine Ordnungswidrigkeit dar, gem. § 146 Abs. 2 Nr. 2a GewO.
Im Falle der Änderung des Satzungssitzes ist die entsprechende Satzungsänderung notariell zu beurkunden und zum Handelsregister in elektronischer Form anzumelden.
Bei der Änderung der Geschäftsanschrift ist die Unterschrift des Geschäftsführers auf der Anmeldung zum Handelsregister notariell beglaubigen zu lassen. Die Anmeldung ist dann dem bisher zuständigen Registergericht in elektronischer Form zu übermitteln.
Im Gegenzug dazu wird die bloße Änderung des Verwaltungssitzes nicht im Handelsregister veröffentlicht.
Zu beachten ist weiter, dass die Anmeldung zum Handelsregister jeweils erst dann vorgenommen wird, wenn der Wechsel des Sitzes tatsächlich bereits vollzogen worden ist. Die Registergerichte gleichen hierbei die Informationen mit dem zuständigen Gewerbeamt ab.
Die Änderung im Satzungssitz sowie der Geschäftsadresse sind grundsätzlich dem Transparenzregister gegenüber mitzuteilen gem. § 20 Abs. 2 GWG. Aufgrund der bestehenden Eintragungspflicht im Handelsregister entfällt die Mitteilungspflicht für GmbH allerdings.
Für die Besteuerung der GmbH (insb. Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer) ist der Verwaltungssitz der Gesellschaft, also der der tatsächlichen Geschäftsleitung entscheidend gem. § 10 AO. Sollte sich dieser willkürlich ändern ist die Änderung dem zuständigen neuen Finanzamt mitzuteilen.
Änderungen der Geschäftsanschrift werden der IHK in der Regel automatisch vom zuständigen Gewerbeamt mitgeteilt. Eine eigene Mitteilung an die neue zuständige IHK empfiehlt sich dennoch.
Neben dem Gewerbeamt sind noch weitere Behörden über die Änderung des Satzungssitzes sowie der Geschäftsanschrift zu informieren. Regelmäßig übernimmt hierbei das Gewerbeamt die Information, jedoch ohne Rechtsanspruch, weshalb die Information selbst durch die Geschäftsführung erfolgen sollte. Die Mitteilung an die Kfz-Zulassungsstelle bei Änderung der Geschäftsanschrift sowie an den Beitragsservice des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gem. §§ 6 ff. RBStV (Rundfunkbeitragsstaatsvertrag).
Teilweise verpflichtend und regelmäßig sinnvoll ist die Mitteilung der Änderung der Geschäftsanschrift in weiteren Bereichen. Zu nennen sind hier z.B. das Impressum der Unternehmens-Webseite gem. § 5 TMG (Telemediengesetz). Die Informationen zur verantwortlichen Stelle nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung). Ebenso sollte die Geschäftsanschrift auf dem Briefpapier und in Rechnungen wiedergegeben werden. Sinnvoll erscheint es hinsichtlich der faktischen Erreichbarkeit auch die relevanten Geschäftspartner und Gläubiger zu informieren.
Für die Frage, ob und wann eine Sitz-Verlegung organisatorisch oder steuerrechtlich Chancen ergeben kann oder durchgeführt werden muss und welche Mitteilungspflichten gegenüber welchen Behörden bestehen empfiehlt sich die Beratung durch einen spezialisierten Anwalt. Wir beraten Sie gerne, wenn Sie planen Ihren Satzungssitz, die Geschäftsadresse oder Ihren Verwaltungssitz zu verlegen.
Rechtsprechungs-Übersicht zum GmbH-Sitz:
Im Grundsatz ist die Sitzverlegung einer GmbH - vorbehaltlich tatsächlicher Anhaltspunkte für Rechtsmissbräuchlichkeit im Einzelfall - auch im Liquidationsstadium zulässig.
Normen: §§ 4a, 53, 69 GmbHG
OLG Celle, Beschluss vom 26.4.2021 - 9 W 51/21
Ein c/o-Zusatz in der Geschäftsanschrift einer GmbH ist nicht schlechthin unzulässig (hier: inländische Geschäftsanschrift des gem. § 378 Abs. 2 FamFG für die GmbH handelnde Notar).
Normen: §§ 378 Abs. 2, 382 Abs. 4 FamFG; § 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG; § 31 HGB
OLG Hamm, Beschluss vom 07.05.2015 - 27 W 51/15
Die Prokura umfasst nicht die Vertretungsmacht zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift beim Handelsregister.
Normen: §§ 78, 8 Abs. 4 Nr. 1 GmbHG; 12 Abs. 1 S. 2, 31 Abs. 1, 49 Abs. 1 HGB
OLG Karlsruhe; Beschluss vom 07.08.2014, 11 Wx 17/14
Der Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes einer im Inland gegründeten Gesellschaft mit beschränkter Haftung ins Ausland führt nach deutschem Recht zu ihrer Auflösung; die Sitzverlegung kann demzufolge nicht in das Handelsregister eingetragen werden. (veraltet)
Normen: § 60 GmbHG; Artt. 52, 54, 58, 200 EWGV
OLG Hamm, Entscheidung vom 30.04.1997 - 15 W 91/97
1. Eine Personenhandelsgesellschaft kann anders als eine GmbH ihre inländisch Geschäftsanschrift nicht abweichend vom Sitz der Gesellschaft wählen.
2. Die Anmeldung der inländischen Geschäftsanschrift einer GmbH & Co. KG ist durch alle Gesellschafter und nicht nur durch die Komplementärin zu bewirken.
Normen: § 37 AktG; § 35 GmbHG; §§ 15, 108, 161 HGB
OLG Schleswig, Urteil vom 14.11.2011 - 2 W 48/11
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